Was ist eigentlich los in Europa. Ist es schon die erwartbare Panik der selbsternannten Eliten, die um sich schlagen? Oder ist es nur noch Hilflosigkeit angesichts des politischen Umbruchs in Europa?

Die Bundespräsidentenwahl in Österreich war vor allem medial ein interessantes Lehrstück. Unabhängig von der politischen Einstellung sollte es angesichts der Einseitigkeit des kaum noch Berichterstattung zu nennenden medialen Sperrfeuers gegen einen Kandidaten jedem kalt den Rücken herunterlaufen.

Kürzlich lag wieder eine Zeitung, die wir neben vielen anderen niemanden ans Herz legen wollen, gratis im Zug herum. In der Gazette, die wir aus Mitleid aufgelese haben, fand sich erneut ein nettes Beispiel für die aktuelle Medienwelt. Diesmal schrieb nicht der kleine Moritz über Trump, putzig war es dennoch. So wurde von der gleichen Schreiberin eine Beschreibung der beiden Kandidaten verfasst. Zu Van der Bellen durfte der Leser die Worte „Professor und Europafreund“ lesen. Bei Hofer fand sich die nette Bemerkung „Populist und Märchenonkel“. Man darf sich freilich darüber streiten, ob nicht die größten Märchen auf dem Kontinent eher aus der Ecke der „Europafreunde“, was auch immer das sein mag, stammen, aber das soll hier nicht das Thema sein.

Wem man wohlgesonnen ist, wird nicht geheim gehalten. Hier ein paar Schnipsel aus dem Text zu van der Bellen:

Das ist nicht sonderlich erstaunlich. Mit den paar Prozenten der grünen Kernwählerschaft hätte es wohl kaum bis zur Stichwahl gereicht. Das Gefühl, auch bei einstelligen Wahlergebnissen mindestens 75% der Bevölkerung zu repräsentieren, ist manchen Parteien allerdings nicht nur in Österreich in die Wiege gelegt.

Es folgt der auch in Deutschland übliche Kulturschlenker:

Kunst und Kultur sind sicherlich die Kernsorgen des Großteils der Bevökerung. Wie hoch der Anteil der Repräsentanten aus dem Teil des steuerfinanzierten weil staatlich subventionierten Kulturbetriebs war, ist nicht überliefert.

Vielleicht wirkt er nicht nur so, sondern ist beim Kontakt mit dem „einfachen Bürger“ wirklich entnvert. Zu wenig Kultur vielleicht, oder zu viel Realität, wer weiß das schon. Jenseits der Kunsthalle ist das Leben oft ein bisschen anstrengend.

Auf die Krititk an seiner Aussage, er würde keinen Kanzler der FPÖ vereidigen sagt er:

Die Sache mit der Schadensabwendung muss eine neue Erkenntnis sein. Sonst wäre möglichweise die eine oder andere Vereidigung in der Vergangenheit bereits gescheitet, es sei denn man wertet das Theaterspiel der letzten Dekaden, das von SPÖ und ÖVP veranstaltet wurde, als Bereicherung für unser schönes Nachbarland. Immerhin ist es offenbar für einen Europfreund völlig in Ordnung, einem demokratisch gewählten Repräsentanten die Vereidigung zu verwehren. Das überrascht nicht, spricht aber auch nicht für das Demokratieverständnis in Europa.

Wie aber lautet die vollkommen neutrale Darstellung des Kandidaten Hofer? Eingeleitet wird die Bekanntmachung wie eingangs erwähnt nicht ganz so glamourös wie beim grünen Europafreund. „Populist und Märchenonkel“ heißt es über dem Foto des Kandidaten in Fettdruck. Es geht doch nichts über eine gesunde Neutralität. Weiter heißt es:

Das findet die Autorin offenbar wesentlich schlimmer, als dem einfachen Bürger gegenüber entnervt zu wirken.

Höchst verdächtig! Die Frau van der Bellen ist übrigens Geschäftsführerin im Grünen Fraktionsclub. Daher lautet es folgerichtig:

Da sind sie wieder, die einfachen Leute. Ist auch die Autorin bereits genervt? Aber richtig gefährlich wird es erst jetzt:

Volksabstimmung und direkte Demokratie? Geradezu radikal und im neuen Europa offenbar schon ein Schreckgespenst. Woher stammt noch mal die Politikverdrossenheit? Handelt es sich nicht eher um eine verschiedene Gruppen betreffende Parteienverdrossenheit?

Ganz und gar nicht dem Brüsseler Zeitgeist entsprechend zeigt sich der Mann auch noch:

Wie sooft erstreckt sich die Toleranz nicht auf alle Weltreligionen. Heimischen Dingen gegenüber hat sich der geneigte Europäer besonders kritisch zu zeigen.

Betont gläubig zeigen sich derzeit auch in Europa viele andere und das war doch eben noch in Ordnung oder nicht? Dieses neue Europa mit seinem vielschichtigen Toleranzgefüge ist schon ein ziemlich verwirrendes und komplexes Gebilde. Man hat es nicht leicht im mehrdimensionalen Hyperraum der political correctness. Das politisch korrekte Verhalten mit dem latenten für blöd erklären alles altbekannten erinnert an einen nie aus der Pubertät herausgekommenen Teenager. Alles was die Eltern machen findet er auch mit 40 noch blöd, alles was anders ist, nimmt er kritiklos und begeistert auf. Man stelle sich vor, Hofer wäre gläubiger Buddhist. Das würde die Verwirrung komplettieren.

Es gab in vielen Gazetten noch deutlich asymmetrische Veröffentlichungen. Was soll mit einer derart plumpen Darstellung erreicht werden? Ist es nicht mehr möglich, sich sachlich mit den Unterschieden zweier Kandidaten zu beschäftigen ohne direkt auf den politisch korrekten Binär-Kanal zu schalten? Wenn 50% der Österreicher die FPÖ wählen, dann sollte man das nicht nur zur Kenntnis nehmen, sondern darüber nachdenken, warum das der Fall ist, und welche Dinge nicht nur dem einfachen Menschen am Herzen liegen. Mit der üblichen Ausrede einer „einmaligen Protestwahl“ kommt man so langsam nicht mehr weiter, denn die Partei hat schon im ersten Wahlgang deutlich mehr Stimmen erhalten als jede andere Partei. Wenn man darüber nicht sprechen möchte kann man die Demokratie gleich abschaffen. Dann sollte man aber nicht den menschenfreundlichen Euopäer spielen sondern einfach laut sagen, dass man am liebsten mit seiner eigenen kleinen elitären Minderheit das Zepter schwingen würde. Gevatter Ochs und Esel scharren schon mit den Hufen.

Man darf nicht gegen den Euro sein, man muss Bargeld schlimm finden, weil das von Terroristen benutzt wird. Natürlich muss man allem gegenüber tolerant sein, was ganz toll menschlich klingt. Gläubig darf man sein, beim einen wirkt es dann allerdings aufgesetzt und beim anderen muss man es ganz doll ernst nehmen und fragen, ob man nicht stört. Absurdistan ist auf der schwarzen Piste abwärts unterwegs vom Berg der Aufklärung. Schade.

Das Wort tolerant wird zunehmend von seinem ursprünglichen Sinn weggezerrt. Staatlich verordnetete Unterwürfigkeit des „einfachen Bürgers“ wäre bei vielen Themen die angemessenere Bezeichnung für das von manchen Politikern erwartete Verhalten. „Maul halten und toll finden!“ ist der Geist der Zeit. Ganz schön demokratisch, oder?

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